Humus-Aufbau für den Klimaschutz
In Zeiten des bereits in unserer Gemäßigten Zone spürbaren Klimawandels erfährt eine so weit verbreitete Substanz wie „Humus“ wieder eine hervorgehobene gesellschaftliche Beachtung in der öffentlichen Diskussion um geeignete Maß zur Eindämmung der Folgen. „Humus“ ist wohl eine derjenigen natürlichen Substanzen, die in ihrer gesellschaftlichen Betrachtung mit den meisten positiven Eigenschaften assoziiert wird.
Aber was versteht man eigentlich wissenschaftlich unter dem Begriff „Humus“?
Das Lehrbuch der Bodenkunde gibt darauf die folgende Antwort:
„Die Gesamtheit der organischen Substanzen des Bodens bildet den Humus, wenngleich von anderen Autoren dieser Begriff z. T. auf die Huminstoffe beschränkt wird. Der Humus ist einerseits im Boden mit dem Mineralkörper vermischt und bildet andererseits zusammen mit den Streustoffen den Auflagehumus vieler Böden. Die Begriffe arg. Substanz und Humus bilden in diesem Buch Synonyme.“
Und weiter zu den Humin- und Streustoffen:
- Huminstoffe, stark umgewandelte, hochmolekulare Substanzen ohne erkennbare Gewebestrukturen.
- Streustoffe, die nicht oder nur schwach umgewandelt sind und in denen die Gewebestrukturen großenteils noch morphologisch sichtbar sind. Hierzu gehören sowohl oberirdisch abgestorbene Pflanzenreste wie auch tote Wurzeln und Bodenorganismen bzw. deren Bestandteile. Diese oft auch als Nichthuminstoffe bezeichneten Substanzen enthalten im wesentlichen Lipide, Lignin und Polysaccharid-Bruchstücke.
Vereinfacht gesagt besteht Humus aus Nährhumus und aus Dauerhumus. Während der Nährhumus in Form der dem Boden zugeführten organischen Substanz Biomasse (also im Wesentlichen Biomasse bestehend aus Kohlenhydraten, Lipiden, Proteinen und Ligninen) noch zu großen Teilen unter Freisetzung wichtiger Nährstoffe biologisch abgebaut werden kann, verhält sich der Dauerhumus in Form der hochmolekularen Huminstoffe biologisch weitgehend abbauresistent. Dies dürfte zum einen an den komplizierten Makromolekülstrukturen der Huminstoffe zurückzuführen sein, zum anderen auch an ihrer Fähigkeit, sich stabil mit der umgebenen anorganischen Bodenmatrix in Form von stabilen Ton-Humus-Komplexen zu verbinden. Durch die Bindung des Nährhumus an den abbauresistenten Dauerhumus wird der mikrobielle Abbau entscheidend entschleunigt, so dass ein größerer Anteil des Nährhumus in Dauerhumus umgewandelt wird und gleichzeitig bedingt durch die entschleunigte Verstoffwechselung des Nährhumus die CO2-Emissionen aus landwirtschaftlich bewirtschafteten Flächen entscheidend sinken.
Gemäß dieser traditionellen Lehrmeinung in der deutschen Bodenkunde beschränken sich die Funktionen der verschiedenen weitgehend abbaustabilen Huminstoff-Fraktionen (Humin, Huminsäuren und Fulvosäuren) aber nicht nur auf die Humus-Anreicherung im Boden und die daraus resultierende Reduktion von CO2-Emissionen. Huminstoffe funktionieren vereinfacht betrachtet als Schwamm für Wasser und Nährstoffe in fruchtbaren Böden, wobei die mobilen, wasserlöslichen Fulvosäuren zusätzlich zum Nährstoff-Transport dienen. Aufgrund ihrer enormen Adsorptionsfähigkeit immobilisieren Huminstoffe auch gleichzeitig anorganische und organische Schadstoffe wie Schwermetalle und Pflanzenschutzrückstände und entziehen sie dadurch weitgehend unserem Nährstoffkreislauf. Ihnen kommt damit sozusagen die Funktion eines Verkehrspolizisten im Boden zu.
Auch die ausreichende Pflanzenverfügbarkeit des weltweit knappen Makronährstoffs Phosphor sowie von vielen essenziellen Mikronährstoffen wie Eisen, Zink, Mangan und Kupfer sind maßgeblich vom Huminstoffgehalt eines Bodens abhängig. Huminstoffe leisten somit einen entscheidenden Beitrag zur Verbesserung der Dünge-Effizienz. Zudem vermindern Huminstoffe die Emission von klimaschädlichem Ammoniak und Schwefelwasserstoff aus Wirtschaftsdüngern wie Gülle und Gärresten aus der Biogas-Produktion. Auch zur Verringerung von Nitrateinträgen ins Grundwasser können Huminstoffe entscheidend beitragen.
Huminstoffe haben in vielerlei Hinsicht einen stressmindernden Einfluss auf abiotische, klimabedingte Faktoren wie Hitze, Dürre, Kälte, Nässe, Frost und Versalzung. Zwar sind diese Funktionen bisher noch nicht ausreichend erforscht, in jahrzehntelanger Praxis erwiesen ist jedoch vor allem die lindernde Wirkung bei Dürre und Versalzung, die vor allem mit der Wasserhaltekapazität und ihre puffernde Wirkung bei starkem osmotischen Druck erklärt werden kann. Darüber hinaus verbessert der Einsatz von Huminsäure-Extrakten qualitativ und quantitativ nachweislich die Keimrate von unterschiedlichstem Saatgut.
Leider entstehen abbaustabile Huminstoffe erst in sehr langen natürlichen biotischen und abiotischen Prozessen. Trotz vielseitiger Versuche kann Dauerhumus bis heute nicht kurzfristig synthetisch hergestellt werden, schon gar nicht industriell zu wirtschaftlich vernünftigen Bedingungen. Neben humusreichen Böden findet man Huminstoffe auch in Mooren und fossilen Sedimenten in Form Torf und Braunkohle. Braunkohle-basierte Huminstoffe erfüllen aufgrund ihrer hohen Abbau-Stabilität hervorragend die Anforderungen an Dauerhumus. Im Gegensatz zur Biomasse als Nährhumus zersetzen sich Braunkohlen nicht mikrobiell zu CO2 und Wasser, sondern nehmen Sauerstoff lediglich in ihre Molekülstruktur auf. Durch diesen natürlichen Verwitterungsprozess steigt lediglich der Huminsäurengehalt und diese verwitterten Huminstoff-Sedimente werden als international Leonardit bezeichnet. Durch die hohe Ähnlichkeit des Naturstoffs Leonardit mit den rezenten Huminstoffen in Böden und die hohe biologische Abbaustabilität zeigt es von allen derzeit verfügbaren Rohstoffen die beste Eignung in der Funktion des Dauerhumus.
Wasserlösliche konzentrierte Huminsäurenextrakte aus Leonardit und aquatische Fulvosäuren werden bereits weltweit als Biostimulanzien bei ungünstigen Klima- und Bodenbedingungen zum Zwecke einer klimaangepassten Landwirtschaft eingesetzt. Zu den klimabedingten abiotischen Stressfaktoren sind Hitze, Dürre und Salzstress, aber auch Nässe, Frost und Kälte zu zählen. Huminstoffbasierte Biostimulanzien wie Humin- und Fulvosäuren dienen dabei einerseits zur Erhöhung der Toleranz von Kulturpflanzen gegenüber diesen abiotischen Stressfaktoren. So sind Humin- und Fulvosäuren beispielsweise in der Lage, durch ihre Adsorptionsfähigkeit die Salzkonzentrationen in der Bodenlösung entscheidend zu verringern und somit über den geringeren salzbedingten osmotischen Druck auf die Pflanzen wieder ertragreichere Landwirtschaft zu ermöglichen.
Gleichzeitig erhöhen humin- und fulvosäurenbasierte Biostimulanzien die Düngeeffizienz von Makronährstoffen wie Phosphor, Stickstoff und Kalium. Insbesondere für die pflanzenverfügbare Mobilisierung von mineralisch festgelegten Phosphaten spielen Huminstoffe im Boden eine entscheidende Rolle. Darüber hinaus mobilisieren Huminstoffe essenzielle Spurennährstoffe wie Eisen, Zink, Kupfer und Mangan, die gerade in humusarmen trocknen Böden von den Kulturpflanzen ansonsten nicht direkt aufgenommen werden können. Die Komplexierung dieser Spurennährstoffe durch natürliche Huminsäuren ist eine ausgezeichnete Alternative zu persistenten synthetischen Chelaten wie z.B. EDTA. Die Adsorption von Ammoniumstickstoff durch Huminstoffe verringert die Emissionen des Treibhausgases Ammoniak aus Wirtschaftsdüngern wie Gülle und Gärresten und tragen gleichzeitig zur Verringerung der Nitrifikation und damit des Nitrateintrags ins Grundwasser bei. Leonardit-basierte Huminstoffe leisten somit einen entscheidenden Beitrag zur Umsetzung des Europäischen Green Deals und der Landwirtschaftsstrategie „From Farm to Fork“.
Über die Bodenverbesserung und die Pflanzenversorgung hinaus finden Leonardit-basierte Huminstoffe erfolgreiche Anwendung im Umweltschutz zur Immobilisierung von Schadstoffen im Boden, zur Abwasserreinigung von organischen und anorganischen Schadstoffen bis zur Biogas-Entschwefelung erfolgreichen Einsatz.
In der Tierzucht wird Leonardit als Futtermittel eingesetzt und in der Medizin dienen Huminstoffe als Adsorptionsmittel zur Entgiftung wie z.B. bei Aflatoxinen in der Kuhmilch. In Aquakulturen werden Huminstoffe zur Wasseraufbereitung genutzt. Und auch in klassischen Industriesektoren wie der Batterie-, Papier- und Keramikindustrie werden natürliche Leonardit-basierte Huminstoffe angewendet. Dank immer neuer Forschungsansätze im Rahmen einer öko-adaptiven Chemie kommen immer weitere Ideen für den nachhaltigen Einsatz hinzu.